Was ist also traditionelle Astrologie? Antwort: diese gibt es nicht…
Nun ja, nicht so ganz. Traditionelle Astrologie bezeichnet die Astrologie, wie sie bis ins 17. Jahrhundert hinein betrieben wurde. Aber im Grunde gibt es nur Astrologie, und die kann richtig verstanden und dann dementsprechend angewendet werden, oder nicht. Dazu ist allerdings ein Verständnis der Grundlagen der Astrologie notwendig. Für eine kurze Übersicht verweise ich auch auf meine Webside:
www.astrowerkstatt-hamburg.de
In diesen Blog beginnen wir mit der grundlegenden Sichtweise oder der Weltbild der Astrologie.
Sprechen wir von der Weltbild, dann meinen wir hier das geozentrische Weltbild, welches heute als hoffnungslos veraltet gilt (J. Frawley, Die wahre Astrologie, S. 85-100). Wie dem auch sein mag, in den traditionellen Weltbildern (es gab immer mehr als eines), geht es nicht darum, lediglich die materielle Seite des Universums zu beschreiben. Sie beschreiben, was von der Perspektive der Natur des Geistes wirklich ist. Selbst im Altertum gab es die Kenntnis darüber, das sich die Erde um die Sonne dreht, obwohl dies nie sonderlich weit verbreitet gewesen war. Der Unterschied zwischen der modernen und der traditionellen Auffassung hat mit der Annahme der Schwerkraft zu tun, obwohl selbst heute niemand so genau sagen kann, was Schwerkraft eigentlich genau ist.
Das Weltbild der traditionellen Astrologie ist, wie gesagt, das geozentrische Weltbild, mit der Erde in der Mitte, worum die anderen Planeten kreisen. Dabei ist es wichtig zwei Dinge auseinander zu halten: zuerst einmal sind Tierkreiszeichen und Sternbilder nicht dasselbe. Es gibt ca 46 oder 48 Sternbilder, aber nur 12 Tierkreiszeichen (obwohl der Unterschied nichts mit der Zahl zu tun hat). Zum anderen, was die Definition des Beginns des Tierkreises ausmacht. Es gibt die Definition des siderischen und des tropischen Tierkreises. Der siderische Tierkreis, wie er in der indischen Astrologie verwendet wird, hat seine Festlegung des Beginns an einen bestimmten Fixstern. In der westlichen Astrologie arbeiten wir nach dem tropischen Tierkreis. Der tropische Tierkreis hat seinen Beginn mit der Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr, welches den Eintritts der Sonne in das Tierkreiszeichen Widder kennzeichnet. Das bedeutet, dass im tropischen Tierkreis die Fixsterne (wenn auch sehr langsam, ca 1 Grad in 72 Jahren) durch die Tierkreiszeichen wandern, im siderischen nicht. Der Hintergrund dafür sind bestimmte Auffassungen: der siderische Tierkreis richtet sich auf die unwandelbare Essenz aus, während der tropische Tierkreis die Betrachtung von Licht und Dunkelheit im Sinne der "Wanderung" dieser Essenz in allen Erscheinungen ist. Die hierarchische Ordnung sieht so aus (oben=äußerste Ebene):
- der Himmel ohne Sterne - Tierkreiszeichen
- Fixsterne und Sternbilder
- Saturn
- Jupiter
- Mars
- Sonne
- Venus
- Merkur
- Mond
- Erde
Die Ebene der Fixsterne beschreibt die Trennung oder Bruchlinie zwischen Formhaft und Formlos, und dies beinhaltet keine Distanz irgend einer Art. Tierkreiszeichen sind jenseits davon, sie beschreiben eine Ebene, die das Formlose zeigt, sie ist gewissermaßen nur metaphysisch zu erfassen. Diese Ebene ist die Ebene der Archetypen, wenn auch nicht in einem psychologischen Sinn. Jede Bewegung hat einen Beginn, einen Impuls, dies ist die Urqualität Hitze. Wenn die Bewegung weitergeht, nimmt die Hitze ab und dies führt zur Kälte. Wenn es Kälte gibt, ist diese von der Hitze getrennt, dies ist Trockenheit, welches Trennung beinhaltet. Die Trennung und Unterscheidung ist von anderen Bedingt und durch die Erschöpfung der Bewegung kommen diese zusammen, dies ist Feuchtigkeit. Danach kann der Zyklus von neuem beginnen. Warum geht die westliche Astrologie nach dem tropischen Tierkreis? Hier ein Zitat von F. Schuon, Light on Ancient Worlds, S. 93-4:
Sehen wir uns um, was erblicken wir? Entstehen, Unterschiede, Veränderungen und Zugrundegehen. Dies alles manifestiert einen Zustand der universellen Essenz, welcher sowohl Kristallisierung als auch Drehbewegung ist, Schwere wie Verzettelung, Verfestigung und Zerteilung. So wie Wasser im Eis, ist die reine Essenz in allem und durch diese zugänglich, dies beschreibt das Geheimnis des Symbolismus und der Immanenz. Diese Urreinheit, entsprechend verschiedener Sichtweisen unterschiedlich benannt, ist das innerste Geheimnis und der äußerste Rand, worin alles enthalten ist. Dies verändert sich nie und ist das Erste, als auch die endgültige Bestimmung von allem. Deswegen ist es folgerichtig, es als "Universum" zu bezeichnen, All auf Eins gewendet. (gekürzt)
Damit haben wir alle Urqualitäten zusammen, um die Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde zu beschreiben. Feuer hat die Urqualitäten Hitze und Trockenheit, Wasser Kälte und Feuchtigkeit, Luft Hitze und Feuchtigkeit und Erde Kälte und Trockenheit. Diese Tierkreiszeichen "entstehen" durch die Verbindung der vier Urqualitäten mit den Drei Modi, welche als kardinal, fix und vermischt beschrieben werden. Es gibt also ein Zeichen in jedem Element, welches kardinal, fix oder vermischt ist. Diese drei Modi beschreiben die Art der Tätigkeit: Abstieg in die Existenz, Ausdehnung darin und Rückkehr zum Ursprung.
Es gibt einen wichtigen Grund, warum beispielsweise bestimmte Tierkreiszeichen keinen Planeten haben, der dort erhöht ist. Erhöhung ist eine bestimmte Art und Weise, die essentiellen Würden eines Planeten zu beschreiben, um zu sehen, ob er in einer bestimmten Stellung stark steht oder nicht. Zum Beispiel hat Wassermann keinen Planeten, der darin erhöht ist. Wassermann ist das menschlichste Zeichen und beschreibt einen Menschen, der für sich allein etwas erreichen will. Warum sollte er jemand erhöhen? Auf der anderen Seite, Löwe, das Zeichen in Opposition zum Wassermann, stellt den König dar, und der hat niemand über sich. Deswegen ist dort ebenso kein Planet erhöht.
Die Ebene der Sternbilder
Diese Ebene ist eine Ebene in Richtung auf Manifestation, und deswegen ist darin eine, wenn auch sehr geringe Bewegung enthalten (nach dem tropischen Tierkreis). Die Sternbilder sind keine willkürlichen Bezeichnungen, sondern sie kann man als "Familien" verstehen, in denen Sterne derselben Familie zusammengefasst sind. Es ist kein Zufall, das Algol, astronomisch ein Doppelstern, in der westlichen Astrologie einer der schlimmsten Fixsterne, in der chinesischen Astrologie Tseih She, aufgeschichtete Leichen, heisst. Man muss dazu allerdings wissen, dass die üblichen Lehrbuchbeschreibungen dieser Fixsterne aus einer Zeit stammen, als es Könige gab, die jede Möglichkeit hatten der Welt zu beweisen, was für schlimme Charaktere sie waren. Diese lassen sich nicht unbedingt eins zu eins übernehmen. Es gibt in jeden Sternbild jeweils einen Stern, der das Wesen dieses Bildes ausdrückt. Z. B. Cor Leonis (Regulus) ist der Stern, der großen militärischen Erfolg in der Welt verspricht, aber auch Unglück. Gerüchteweise kann man hören, das die Geburt von Alexander dem Großen solange verzögert wurde, bis Regulus am Aszendenten stand. Jedenfalls passt sein Leben wie angegossen auf die Bedeutung von Regulus.
Die Ebene der Planeten
Die Planeten beschreiben die Ebene der Akteure. Wenn wir uns die Welt wie eine Bühne vorstellen, sind die Planeten die Schauspieler darin. Es gibt für jeden Planeten Bestimmungen darüber, wo er wie gut, schwach usw. steht. Dies wäre eine Aufgabe für einen entsprechende Beschreibung, der hier aufgrund der Beschränkung des Platzes nicht möglich ist. Beschreibungen über die Bedeutung der Planeten, Tierkreiszeichen und Häuser (siehe unten) kann man aus dem Buch: Christliche Astrologie von William Lilly, entnehmen, das im Chiron-Verlag erschienen ist. Ich will nur auf folgendes hinweisen: nehmen wir die obige Liste, und lassen den Himmel ohne Sterne beiseite, dann ist die Sonne im der Mitte dieser Welt, denn von der Sonne nach beiden Seiten sind es jeweils vier Stufen. Also ist auch im geozentrischen System die Sonne in der Mitte, wenn auch in einem ganz anderen Sinn.
Was machen wir mit den modernen Planeten? Sie können als wandernde Fixsterne betrachtet werden, d. h. wenn sie in Verbindung mit einem wichtigen Faktor stehen, können sie wichtig werden, ansonsten sind sie, wie die Fixsterne, stumme Noten.
Die Ebene der Häuser
Diese Ebene beschreibt welche Themen behandelt werden: Leben, Gesundheit, Krankheit, Freunde, Feinde, Partner, Eltern, Kinder, Besitz, Verlorenes usw. Eine typische Beschreibung, wie sie in der modernen Astrologie üblich ist, wäre die Folgende (aus dem o. g. Buch von J. Frawley, S. 145):
- Selbst
- Besitz
- Ausdruck
- Zuhause
- Vergnügen
- Dienst
- Partner
- Sex
- Erforschung
- Karriere
- Freunde
- Spiritualität
Es ist sinnlos, die Häuser auf ein einzelnes Wort festlegen zu wollen, aber es gibt bestimmte Themen, die durch die Betrachtung der modernen Astrologie extrem kritisch werden können. Betrachten wir das 12. Haus, so steht dort Spiritualität. Das ist ganz und gar falsch. Die Bedeutung des 12. Hauses hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mit Spiritualität zu tun. Es ist das Haus des Verderbens, dass man sich selbst bereitet. Seien es Drogen, Süchte, was auch immer. Mit Spiritualität hat dies nichts zu tun (auch wenn es genügend Menschen gibt, die einen das einreden wollen).
Dieses System hat etwas vollständig stimmiges an sich, und es ist auch mit allen der großen spirituellen Überlieferungen in Übereinstimmung. Das bedeutet nicht, dass sich diese aus der Astrologie erklären liessen. Ganz im Gegenteil. Das, was Astrologie beschreibt, in der Form wie sie in der traditionellen Astrologie betrieben wird, ist, dass sie
durch Vermittlung der Hermetik, gewisse Aspekte eines sehr ursprünglichen Symbolismus bewahrt: die kontemplative Durchdringung des kosmischen Milieus sowie die Feststellung gleichzeitig entstandener Erscheinungen – fortwährend und rhythmisch – der wahrnehmbaren Welt mit ewigen Urformen, welche in der Tat einer naturgegebenen Geistesverfassung entsprechen, im angemessenen und positiven Sinn dieses Wortes. Diese unausgesprochene Ursprünglichkeit des astrologischen Symbolismus flammt in der Begegnung mit Spiritualität auf, unmittelbar und universell, gerade so wie das Funkeln eines kostbaren Steines aufflammt, wenn er dem Licht ausgesetzt wird. (T. Burckhardt, Mystical Astrology according to Ibn Arabi, S. 9. Übersetzung von mir.)